Technische Diskussion zum MX 5 Fahrwerk

  • Hi,


    vielleicht hat der eine oder andere, so wie ich, Lust sich ein wenig mehr mit der Fahrwerkstechnik des MX 5 auseinander zu setzen und sie im Detail zu diskutieren.


    Was ich bisher herausfinden konnte, ohne Anspruch auf 100 % Korrektheit, da ich auch an der einen oder anderen Stelle keine Belege gefunden habe:


    Radaufhängung:
    Doppelquerlenker vorne und Multilenker hinten - so muss man das machen. Nicht unbedingt geeignet für den Mini-Van, aber für einen Sportwagen die richtige Wahl, was man auch daran erkennt, dass Porsche ähnliche Konfigurationen fährt.
    Vorne Querlenker und Schwenklager aus Leichtmetall zur Gewichtsreduzierung, insbesondere da wo es Sinn macht, nämlich an den ungefederten Massen.
    Hinterachse Stablenker mit Leichtmetall Radträger, auch hier also wieder Gewichtsreduzierung der ungefederten Massen.
    In einem Interview hat ein Mazda Ingenieur auch noch darauf hingewiesen, dass der NC noch Nachspur an der Hinterachse gefahren ist, während beim ND eine leichte Vorspur gewählt wurde. Das macht das Auto definitiv stabiler und leichter beherrschbar, da das Einlenken und Übergangsverhalten runder und gutmütiger wird. Wenn man gleichzeitig an der Vorderachse gegensteuert, kann man die alte Agilität erhalten, macht das Auto aber insgesamt leichter beherrschbar, was normalerweise auch in besserer Fahrbarkeit und einer saubereren Linie endet.
    Die Radnaben sind von 5-Loch auf 4-Loch umgestellt worden. Dadurch sind ebenfalls leichter geworden, obwohl das Radlager selber größer dimensioniert wurde und steifer sein soll. Auch das begünstigt natürlich ein stabileres und reproduzierbareres Fahrverhalten.


    Lenkung:
    Elektromechanische Doppelritzel-Lenkung, vor der Vorderachse. Diese Position führt beim Seitenkraftlenken dazu, dass das Rad in Richtung Nachspur geht (Seitenkraftuntersteuern), was zu einem harmonischen Einlenken und Stabilisieren des Fahrzeugs beiträgt. Das ist für einen Sportwagen definitiv die richtige Position für die Lenkung. Vom Package etwas schwieriger, so dass sogar Porsche die Lenkung lange hinter der Radmitte hatte und sie später mit dem 996 nochmal vor die Radmitte gelegt hat, wie übrigens Audi auch.
    Ich vermute, dass der Lieferant der Lenkung Bosch Automotive Steering ist, da diese schon sehr lange Doppelritzel-Lenkungen für VW und Opel bauen und auch mit Fiat als Kooperationspartner von Mazda im Geschäft sind. Dazu habe ich allerdings keine Belege gefunden.
    Die Diskussion Hydraulik vs. EPS (electronic power steering) halte ich persönlich für überholt. Eine gute EPS kann eigentlich alles besser als eine Hydrauliklenkung und ist dabei auch noch energiesparender, deutlich wartungsärmer und weniger störanfällig. Wenn EPS Systeme schlecht beurteilt werden, liegt das nach meiner Erfahrung entweder an einer schlechten Abstimmung, oder daran dass der Beurteiler so auf die Hydraulik geprägt ist, dass er nicht mehr neutral urteilen kann. Wer mit dem Golf 5, 6 oder 7 viel gefahren ist und dann mal wieder einen Golf 4 oder alten Beetle mit Hydraulik fährt, wird verstehen was ich meine.


    Getriebe und Differential: Beides Neuentwicklungen für den ND, die leichter und kompakter geworden sind. Beim Getriebe ist der 6. Gang als Direktgang ausgeführt, so dass er den besten Wirkungsgrad hat und den Verbrauch reduziert. Beide Teile müssten ebenfalls aus Leichtmetall sein und zum niedrigen Gewicht beitragen.


    Also einmal mit der Brille des Fahrwerkenthusiasten darüber geschaut, finde ich erstens das Mazda die richtigen Konzepte gewählt hat und zweitens das ganze auch noch sehr aufwendig mit viel Leichtmetall umgesetzt hat - nett und aus meiner Sicht für ein Auto dieser Preisklasse nicht selbstverständlich. Leichtmetallfahrwerke kennt man sonst eher aus dem BMW 5er, VW Passat und anderen deutlichen teuereren Autos.


    Viel mehr fällt mit heute Abend nicht mehr ein. Ich würde mich freuen, wenn ihr noch Themen ergänzt, falls Ihr weitere Infos habt und wenn wir hier vielleicht die eine oder andere Technikdiskussion führen können.

  • In einem Interview hat ein Mazda Ingenieur auch noch darauf hingewiesen, dass der NC noch Nachspur an der Hinterachse gefahren ist, während beim ND eine leichte Vorspur gewählt wurde.

    Ist meines Wissens so nicht ganz richtig. Dave Coleman von Mazda USA hat vielmehr darauf hingewiesen, dass die Spuränderung durch Seitenkräfte (Nachgiebigkeit der Buchsen und Anordnung der Lenker) beim NC in Richtung Verringerung der Vorspur ging, die Spuränderung durch das Einfedern aber in Richtung Vergrößerung der Vorspur. Es gab also zwei entgegengesetzt wirkende Effekte. Beim ND soll die Auslegung nun so sein, dass beide Effekte zu mehr Vorspur führen.

  • Nachfolgend meine Anmerkungen und Korrekturen:


    Radaufhängung:

    Doppelquerlenker vorne und Multilenker hinten - so muss man das machen.
    Nicht unbedingt geeignet für den Mini-Van, aber für einen Sportwagen die
    richtige Wahl, was man auch daran erkennt, dass Porsche ähnliche
    Konfigurationen fährt.


    1. Warum nicht geeigent für einen Van? Abgesehen vom Package und von Kosten gibt es da keine Nachteile. Die Qualität der Radführung und Abstimmbarkeit ist vom Konzept hervorragend. Übrigens genauso wie Doppeldreiecksquerlenker rundum (wie z. B. beim NA, NB und der Elise).
    2. Porsche fährt vielfach z. B. McPherson vorn - aber so gut umgesetzt, dass es an nichts mangelt.




    Vorne Querlenker und Schwenklager aus Leichtmetall zur
    Gewichtsreduzierung, insbesondere da wo es Sinn macht, nämlich an den
    ungefederten Massen.
    Hinterachse Stablenker mit Leichtmetall Radträger, auch hier also wieder Gewichtsreduzierung der ungefederten Massen.
    In einem Interview hat ein Mazda Ingenieur auch noch darauf hingewiesen,
    dass der NC noch Nachspur an der Hinterachse gefahren ist, während beim
    ND eine leichte Vorspur gewählt wurde. Das macht das Auto definitiv
    stabiler und leichter beherrschbar, da das Einlenken und
    Übergangsverhalten runder und gutmütiger wird.


    Auch der NC fuhr Vorspur an der HA, alles andere wäre auch gefährlich. Die HA war lediglich so ausgelegt, dass das Rad beim Einfedern (Kurve=Seitenneigung=Einfedern auf der Kurvenaußenseite) zunächst ein wenig in Richtung Nachspur ging zwecks agilerem Einlenkgefühl, dann aber wieder in Richtung Vorspur und Vorspurerhöhung.




    Lenkung:
    Elektromechanische Doppelritzel-Lenkung, vor der Vorderachse. Diese
    Position führt beim Seitenkraftlenken dazu, dass das Rad in Richtung
    Nachspur geht (Seitenkraftuntersteuern), was zu einem harmonischen
    Einlenken und Stabilisieren des Fahrzeugs beiträgt. Das ist für einen
    Sportwagen definitiv die richtige Position für die Lenkung. Vom Package
    etwas schwieriger, so dass sogar Porsche die Lenkung lange hinter der
    Radmitte hatte und sie später mit dem 996 nochmal vor die Radmitte
    gelegt hat, wie übrigens Audi auch.


    Ob die Lenkung eher vorne am Rad oder hinten am Rad angreit, ist für die Kennung Lenkwinkel zu Raddrehung egal. Kann man alles nach Belieben auslegen. Die Lenkung sitzt beim MX vorne am Rad, weil dahinter der Motor sitzt. Analog dazu sitzen fast alle Fronttriebler-Lenkungen hinten am Rad, weil der Motor davor untergebracht ist.

  • Hallo Sven,


    Hier sollten wir aufpassen! - Da Du scheinbar über Fahrwerksspezifischen Sachverstand verfügst und das
    durch Deine technisch korrekte Wortwahl belegst ist es umso wichtiger, das die Aussagen, die Du machst belastbar sind!


    Der größte Teil Deines Threads ist eine Zusammenfassung der vielen, immer ähnlichen lautenden, technischen Vorstellungen des MX-5 von Dave Colleman auf Deutsch!
    Das Ist gut. - Dennoch, auch hier muss man aufpassen, dass man die Sachverhalte korrekt wiedergibt:
    Auch den NC konnte man nicht mit Nachspur an der HA fahren!
    Die einzigen Fahrzeuge, soweit mir bekannt, die hin und wieder mit Nachspur an der HA gefahren werden sind sportlich betriebene Fahrzeuge mit Vorderradantrieb.


    Ich habe beim ND, der ja, wie wir von Dave gelernt haben, beim Einfedern und unter Seitenkraft in Vorspur geht, die Setup-Vorspur der HA immer weiter zurückgenommen: Ab 4min Gesamt-Vorspur wird er fast unfahrbar!
    Der Eigenlenkgradient (Maß für das Lenkverhalten hinsichtlich des Lenkwinkelbedarfs unter Querkraft) wird hier schnell kleiner Null.


    Diskussion Achsprinzip:
    VA
    Bezüglich Fahrdynamik sind (DQL)Doppelquerlenkerachsen grundsätzlich eine sichere Bank und den anderen Achsprinzipien überlegen.
    Sie lassen sich allerdings bei Fahrzeugen mit quer eingebautem Frontmotor oder Heckmotor mit Wunsch nach Kofferraum, bei Einhaltung sinnvoller Lenkerlängen, nicht mehr unterbringen.
    Die Aufgelöste Vorderache z.B. Vierlenkerachse wird bei Audi unter anderem daher favorisiert, da sie es erlaubt die Spreizachse in das Rad bzw. die Bremsscheibe zu legen, um den Störkrafthebelarm(Einfluss der Antriebskraft auf die Lenkung) durch die angetriebene VA zu reduzieren.
    HA:
    Die Mehrlenkerachse hingegen bietet bei Hinterachsen gegenüber der DQL die konstruktive Möglichkeit: Nachlauf, Seitenkraftlenken, Wanklenken, Längskraftlenken und Sturzverlauf weitgehend getrennt voneinander abzustimmen. Hat aber wie die DQL-Achse einen größeren Packagebedarf.


    Diskussion Lenkung:
    Bezüglich des Seitenkraftlenkens der VA ist als erstes der Nachlauf zu beachten. Er ist der auf die Fahrbahn projizierte Hebelarm, der mit der Seitenkraft das Lenkmoment am Rad ergibt.
    Habe ich jetzt eine Lenkung vor der Radmitte, genaugenommen vor der Spreizachse, wird die Spurstange aussen nach Kurvenaussen gezogen, Ist sie hinter der Radmitte wird sie nach Kurveninnen gedrückt.
    In beiden Fällen kann sich die Achse sich in Richtung Nachspur drehen. Nur dass ich bei der Variante hinten deutlich weichere Lenkgetriebelager(oder/und härtere Querlenkerlager(schlechteres Rollgeräusch)) benötige als in der Variante Vorne.
    Und weiche Lenkgetriebelager sind dem Lenkgefühl abträglich.


    Gruß
    Hans-Jürgen

    "Vernünftige Autos werden vom Antrieb geschoben, nicht gezogen !!!" (Walter Röhrl)

    4 Mal editiert, zuletzt von HJB ()

  • Nachfolgend meine Anmerkungen und Korrekturen:

    Hallo BJ323F,


    Hans-Jürgen hat schon vieles so beantwortet, wie ich es auch getan hätte.


    Package und Kosten sind zwei nennenswerte Nachteile einer DQ-Achse, die für gewisse Fahrzeugtypen wichtig sein können. Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass ein DQ nur dann gut funktioniert, wenn auch das Package passt. In einem Hochsitzer Raumkonzept gibt es da andere Prioritäten, die den Einsatz eher schwieriger machen, daher habe ich das Beispiel gewählt.


    Lenkung siehe unten.

  • Hallo BJ323F,
    Hans-Jürgen hat schon vieles so beantwortet, wie ich es auch getan hätte.


    Package und Kosten sind zwei nennenswerte Nachteile einer DQ-Achse, die für gewisse Fahrzeugtypen wichtig sein können. Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass ein DQ nur dann gut funktioniert, wenn auch das Package passt. In einem Hochsitzer Raumkonzept gibt es da andere Prioritäten, die den Einsatz eher schwieriger machen, daher habe ich das Beispiel gewählt.


    Lenkung siehe unten.

    Package und Kosten sind beim Minivan natürlich noch wichtiger als beim MX, was gegen das Konzept spricht. Hinsichtlicht der Radführung usw. ist diese Konstruktion auch im Van zu begrüßen, da wirst Du gleicher Meinung sein. Diese unterschiedlichen Betrachtungswinkel kamen in Deinem Urpost nicht heraus.


    "Lenkung siehe unten" - was meinst Du damit?

  • Hallo Hans-Jürgen,


    großen Dank für die Korrekturen. So hatte ich es gemeint und daher hatte ich ja auch eher vorsichtig formuliert und ggf. um Korrektur gebeten. Super Diskussion, die sich hier entwickelt. Darauf hatte ich gehofft.


    Mit der Nachspur war ich mir ja auch nicht so sicher, hätte es mir aber vorstellen können, da Coleman ja auch festgestellt hat, dass die alte Abstimmung eher indifferent zu fahren war. Aber ist jetzt ja korrigiert und wir stellen also fest, dass der NC auch Vorspur an der Hinterachse hatte, allerdings beim Seitenkraftlenken in Richtung Nachspur ging und dadurch agiler, aber auch indifferenter im Fahrverhalten war (ich hoffe das ist jetzt im Sinne aller korrekt wieder gegeben).
    Die genannte Auslegung mit Nachspur bei Frontrieblern ist aber auch schon relativ extrem und in freier Wildbahn dann wahrscheinlich nur bei sehr wenigen sehr sportlichen Exemplaren anzutreffen. Ich persönlich kenne da keine Beispiele.


    Bei der Lenkung stimme ich Dir natürlich zu, dass man auch bei einer Lenkung hinter der Spreizachse ein Seitenkraftlenken in Richtung Nachspur ermöglichen kann. Allerdings brauche ich dazu, wie Du auch schreibst, eine elastische Lenkgetriebelagerung, die eher weich sein muss. Da geht der Trend eher in die andere Richtung mit starr verschraubten Lenkgetrieben. Ich habe keine Bilder gesehen, auf denen man erkennen kann, wie das beim ND gelöst ist, aber ich vermute, dass auch hier das Getriebe starr verschraubt ist, was in Richtung Lenkansprache ja auch optimal ist.
    In der Konfiguration ist es dann definitiv ein großer Vorteil, wenn der Spurhebel vor der Radmitte liegt, weil ich nur damit ein Seitenkraftlenken in Richtung Nachspur ermöglichen kann. Liegt die Lenkung hinter der Radmitte bekomme ich es maximal neutral mit leichter Tendenz in Richtung Vorspur hin und muss dann mit der Hinterachse gegensteuern, was das Auto insgesamt fahrdynamisch verschlechtert.


    Und danke für die Ausführungen zu den Achskonzepten, super verständlich und aus meiner Sicht technisch fundiert das Wesentliche auf den Punkt gebraucht.

  • Nur dass ich bei der Variante hinten deutlich weichere Lenkgetriebelager(oder/und härtere Querlenkerlager(schlechteres Rollgeräusch)) benötige als in der Variante Vorne.

    Kannst Du diese angebliche Abhängigkeit bitte erläutern?

  • Das Rad stützt sich unter Seitenkraft an zwei Punkten ab:
    - dem Spurhebel der Lenkung und
    - der Spreizachse, also der Traglinie, die sich durch die Lenker ergibt.


    Es dreht sich dann in die Richtung, die elastokinematisch weicher ist, also unter Seitenkraft mehr nachgibt.


    Vor der Vorderachse ist das dann einfach:
    - Lenkung annähernd starr
    - Lenkerlager elastisch
    - Rad dreht sich um den Spurhebel, während die Lenkerlager eingefedert werden
    - in dieser Konfiguration bleibt das Rad also vorne stehen und hinten geben die Lenker nach, so dass Nachspur entsteht, das Rad also nach kurvenaußen lenkt.


    Liegt die Lenkung hinter der Vorderachse ergibt sich der umgekehrte Effekt. Der Drehpunkt liegt hinter der Radmitte, so dass die Achse elastokinematisch in Richtung Vorspur geht. Wenn ich das vermeiden will, muss die Lenkung mehr nachgeben, als der Lenker. D.h. ich muss die Lenkung weich elastisch lagern und die Lenkerlager sehr hart machen, so dass sich das Rad um die Spreizachse dreht und die Lenkung nachgibt. Weiche Lenkungslager sind allerdings nicht schön für das Lenkgefühl, da die Lenkung unter Kraft ausweichen kann, was das Lenkgefühl verschlechtert.