Heiße Angelegenheit

  • Ich zitiere einfach mal einen Post vom Ingenieur Büro Michael (Quelle Facebook https://www.facebook.com/71244…7/posts/2347568445271729/) :


    HEIßE ANGELEGENHEIT


    Das Pulverlackieren von Leichtmetallfelgen


    In der letzten Zeit haben uns wieder mehrfach Anfragen zum Pulverlackieren von Leichtmetallrädern erreicht, die eine gewisse Verwirrung um die Legalität dieser Art des Farbauftrages zeigte. Da wir uns in Zusammenarbeit mit einer bekannten Pulverlackiererei bereits seit einiger Zeit damit befassen, wollen wir euch im folgenden Beitrag ein wenig Einblick in dieses, doch recht komplexe Thema geben. Wie üblich, bitten wir darum, den Text erst vollständig zu lesen und dann eventuell auftretende Fragen per PN zu stellen.


    - Rückblende -


    Die Problematik des Farbauftrages an Leichtmetallrädern und die dabei verwendeten hohen Bearbeitungstemperaturen, sind nicht erst seit kurzem bekannt und werden auch nicht erst seit kurzem thematisiert. Die steigende Zahl von Anbietern einer Alufelgen-Reparatur hatte der TÜV Süd bereits vor einigen Jahren zum Anlass genommen, die Reparaturverfahren unter die Lupe zu nehmen. Geprüft wurden dabei marktübliche, thermische Verfahren. Sie erfordern in der Regel eine Erhitzung der Pkw-Felgen zum Entlacken und Aufbringen eines neuen Farbauftrages auf über 200°C über mehrere Stunden hinweg. Getestet wurden mehrere Leichtmetallräder in Erstausrüster-Qualität aus dem wärmebehandelten Werkstoff GK-Al-Si7-Mg T6. Aus diesem Material werden heutzutage viele Pkw-Leichtmetallfelgen produziert.


    - Klare Testergebnisse -


    Die Materialhärte schwand mit dem Anstieg der Temperatur. War die Felge drei Stunden lang 200°C ausgesetzt, konnten die TÜV-Prüfer danach einen Härteabfall von 5% feststellen. Mit weiter steigenden Temperaturen fällt der Härtegrad exponentiell ab. Bei 250°C über 3 Stunden büßt das Rad schon 40 % seiner Stabilität ein und bereits nach nur 30 Minuten bei 250°C fällt die Härte um 25 % ab.


    Mit der Materialzuverlässigkeit schwindet natürlich auch die Lebensdauer. Nach der Hitze-Kur mussten die erhitzten Felgen zur sogenannten Biegeumlaufprüfung. Sie ergab, dass die thermische Behandlung die Haltbarkeit der Felgen um bis zu 90% (!) verringert hat. Damit werden die gesetzlichen Mindestanforderungen nach § 36 StVZO natürlich nicht mehr erfüllt. Derart behandelte Räder können Risse bekommen oder Speichen sogar brechen.


    Diese Erkenntnisse des TÜV Süd kommen allerdings nicht überraschend. Vom Bundesverkehrsministerium gibt es seit Längerem die Maßgabe, dass Eingriffe in das Materialgefüge, Wärmebehandlungen sowie Rückverformungen an Alufelgen grundsätzlich abzulehnen sind. Auch der TÜV Süd hatte bereits 2010 erläutert, dass die Aufbereitung von Felgen unter Wärmeeinfluss zu vermeiden ist. Bereits seit 2004 existiert ein Leitfaden des Fachausschusses Kraftfahrzeugtechnik (FKT), der die geltenden Normen und Empfehlungen zur Reparatur und Instandsetzung von Rädern bündelt. Im finalen Grundsatzpapier zur Radaufbereitung des FKT-Sonderausschusses „Räder und Reifen“ vom 11. Oktober 2010, wird unter Punkt 3.2 die maximal zulässige Wärmebelastung mit 90°C bei höchstens 40 Minuten Einwirkdauer ausgewiesen.


    - Fazit -


    Aus den bis hier genannten Gründen, wird von den Sachverständigen der Prüforganisationen eine pulverlackierte Felge häufig als schwerwiegender Mangel angesehen und die Zuteilung der HU-Plakette verweigert. In Verkehrskontrollen kann das gleichzeitig zu entsprechenden Problemen mit den Polizeibeamten führen.


    - Unsere Meinung und Lösungsvorschlag -


    Zu all den beschriebenen Untersuchungen müssen, nach unserem Dafürhalten, aber etwas genauere Betrachtungen angestellt werden. Wie wir oben im Text bereits angedeutet haben, arbeiten wir seit Langem mit einer renommierten Pulverlackiererei zusammen. Hier werden die für die Testreihen des TÜV Süd herangezogenen Temperaturwerte nicht angewendet, sondern nach den gleichen Lackierrichtlinien gearbeitet, wie sie auch bei der Felgenfertigung vieler Fahrzeughersteller Anwendung finden. Die Objekttemperaturen (Temperatur des Felgenkörpers) liegen je nach Art des Pulvers nur zwischen 150 und 175°C bei Einwirkzeiten von 10 bis 20 Minuten.


    Der gesamte Pulverbeschichtungsvorgang beinhaltet folgende Schritte:


    1. Entlacken, vorbereiten, entfetten und reinigen der Felge


    2. Pulvergrundierung auftragen, Trocknung: 10 Minuten bei 170°C


    3. Basispulver (Farbe) auftragen, Trocknung: 10 Minuten bei 150°C


    4. Klarpulver auftragen, Trocknung: 20 Minuten bei 175°C


    Zwischen den einzelnen Schritten fällt die Objekttemperatur wieder auf den Umgebungswert (Raumtemperatur) ab.


    Setzen wir also die vom TÜV Süd ermittelten Werte als Referenz ein, dann wäre rechnerisch bei der eben genannten Art der Pulverlackierung ein theoretischer Härteverlust von unter zwei Prozent zu erwarten.


    Grundsätzlich muss aber beachtet werden, dass diese Pulverlackierung auch bei diesen oder geringeren Bearbeitungstemperaturen, nur in entsprechend geringer Häufigkeit durchgeführt werden dürfte, da sich der Härte- und Festigkeitsverlust der Felge je Lackierung entsprechend summieren kann. Hinzu kommen alternative Vorgehensweisen zur Entlackung der Felgen, um auch hier die Wärmebelastung auf das Felgenmaterial zu reduzieren. Wie wir bereits vor einiger Zeit angestoßen haben, wäre eine Prüfung der Bearbeitungsabläufe in den vorzugebenden Temperaturbereichen, mit der anschließenden Zertifizierung der Lackierbetriebe hierfür eine Lösung. Diese müsste gleichzeitig eine entsprechende Kennzeichnung der Felgen beinhalten, welche die erstmalige nachträgliche Pulverlackierung ausweist.


    Leider sind uns diesbezüglich noch keine Prüfungsvorhaben bekannt. Wie wir aber erst kürzlich erfuhren, sollen bereits (ein oder mehrere) Gutachten vorliegen, die das gefahrlose Pulverlackieren von Leichtmetallfelgen unter bestimmten Umständen bestätigen. Sobald wir genauere Informationen erhalten, werden wir euch sofort darüber in Kenntnis setzen.


    Solange es jedoch hierfür keine eindeutigen und vor allem überprüfbaren Regelungen gibt, wird uns das Thema Zulässigkeit des Pulverlackierens von Leichtmetallfelgen noch eine Weile beschäftigen.