Fragen über ABS und ESP, Systemverständnis und Einflüsse

  • Hallo

    In anderen Beiträgen kommen wir immer mal wieder zum Thema ABS oder ESP.


    In diesem Beitrag möchte ich euch die Gelegenheit geben Eure Fragen zu stellen.
    Gerne zum Systemverständnis, oder was passiert wenn man Änderungen vornimmt,

    Usw.


    Ich würde dann gerne mein Fachwissen mit euch teilen.


    Bitte Fragen, ich antworte gerne. :thumbsup:

  • Erster Beitrag als Teaser


    Frage:

    nochmal ne Frage zum ABS: Da wird doch über die Sensoren am Rad gemessen ob sich das Rad dreht (optischer Sensor auf Zahninnenkranz). Wie kann eine andere Scheiben-/Belag-Kombination da Auswirkungen auf das ABS-Verhalten haben?
    Das würde ja bedeuten, dass bei jedem Scheiben- und Belag-Wechsel auch das ABS neu einzustellen ist.
    Das habe ich bisher noch bei keinem Auto machen müssen und das sind einige gewesen...

    Antwort:

    Es sind induktive Sensoren.

    Der ABS Regler im Modernen Systemen ist ein sogenannter Schlupfregler. Im Gegensatz zum alten etwas ruppigeren aber deutlich unempfindlicheren Instabilitätsregler, ist der Schlupfregler auf einige physikalische Berechnungsgrundlagen gestützt.

    Dazu gehören als Basisdaten welche in der Applikation ermittelt werden:

    Radmasse, Bremsübersetzung, Radstand, Spurweite, Gewicht ....

    Dazu kommen Messwerte:

    Radgeschwindigkeit, Längs und Querbeschleunigung, Gierrate, Hauptbremszylinderdruck, Radbremszylinderdrücke, Bremslichtschalter, Gaspedalstellung, Ganginformation, Lenkwinkel.

    Die Fahrzeuggeschwindigkeit und die Radbeschleunigungen werden sehr komplex berechnet.


    Oben habe ich die Bremsübersetzung genannt. Diese ist grob gesagt, das Verhältnis von Bremsdruck zu Bremskraft.

    Da der Regler diese Kraft nich kennt und auch nicht rechnen kann, wird diese anhand mehrer Messreihen während der Applikation ermittelt und in des Basisdaten abgelegt.

    Das bedeutet es gehen hierbei die Reibpartner von Belag und Scheibe, und die Eigenschaft des Bremssattels, also die Übersetzung Bremsdruck zur Anpresskraft.

    Darüber hinaus gibt es ein Temperaturmodell, welches den Temperatureintrag und Kühlung während einer Bremsung und der Anzahl und Abstände der Bremsungen berücksichtigt.


    Anhand dieser groben Darstellung, ist es offensichtlich, dass jede Änderungen der genannten Parameter eine Auswirkung haben wird.

    Sicherlich ist der Regler auch gewissen Tolleranzen gegenüber robust, jedoch nur dem was in einer Serienstreung erwartbar ist.

    Jeder Eingriff in die Bremse Räder usw, hat daher einen Einfluss auf die Regelgüte des ABS/ESP Systems.

    Es ist dahingestellt ob ein Fahrer das bemerkt. Wenn er nie in eine ABS Regelung kommt.

    Jedoch steigt die Gefahr von Fehlanregelungen, also zu früh oder zu später Regelbeginn.

    Und die Regelgüte ( Performance bei ABS)

    Grob gesagt, der Regler reagiert zunächst auf Messgrößen wir Radgeschwindigkeiten und deren abgeleiteten Beschleunigungen, und der berechneten Fahrzeuggeschwindigkeit. anhand der erkannten Fahrsituation welche über die Umweltsensoren , Beschleunigung, Gierrate, Lenkwinkel, und wieder den Raddrehzahlen untereinander ermittelt wird, geht der Regeler in den entsprechend Zustand über und reagiert mit einer Ansteuerung von Motor und Bremse.

    Bei der Bremse werden aufgrund ganz oben genannter abgelegter physikalischer Daten die elektrischen Anstruerzeiten der Hydraulikventile durchgeführt.

  • Hi @FlyingV super, klasse Initiative!


    Wir hatten vor einiger Zeit einmal das Thema Bremssattelumbau, z.B. 2 Kolben auf 4 Kolben mit deutlich andere Volumenaufnahme.

    Kannst Du bitte dazu einmal eine Einschätzung geben, wie sich dass auf die Güte der ABS/ESC Regelung auswirkt?

  • @FlyingV 
    Vielen Dank für Dein Angebot, Wissen und Einschätzungen zu teilen! :thumbup:


    Konkrete Frage: Du schriebst, dass der Schlupfregler anhand von Auslegung und Erprobungen vorparametriert wird. Demnach kann man seine Wirksamkeit durch Änderungen der Parameter der Anlage (Steifigkeit in der Anlage, Beläge, Scheiben, Reifen, ...) beeinflussen. Das Anregeln könnte z.B. mit anderen Belägen schlechter werden.


    Hältst Du es für möglich, dass die Auslegung des ABS bei einem englischen Kleinserienhersteller unbeabsichtigt oder beabsichtigt auf das Serienmaterial eher mittelmäßig ist und das Anregeln mit anderen Belägen sogar besser funktioniert?

  • Wir hatten vor einiger Zeit einmal das Thema Bremssattelumbau, z.B. 2 Kolben auf 4 Kolben mit deutlich andere Volumenaufnahme.

    Kannst Du bitte dazu einmal eine Einschätzung geben, wie sich dass auf die Güte der ABS/ESC Regelung auswirkt?

    Gerne:

    Natürlich kann man dazu nur eine Abschätzung abgeben, genaueres müsste man im Fahrversuch ermitteln.


    Dies tun wir im Prinzip bei jeder bei uns angefragten Tuning, Modifikation, oder OEM Sport Variante usw.


    Was kann ( muss nicht) also passieren ?


    1. wie ich schon erwähnt habe, stimmt erst einmal nicht mehr die im Regler hinterlegte Bremsübersetzung
    Reibwert, Elastizität, Scheibendurchmesser, haben hier Einfluss.
    2. wenn nur eine Achse geändert wird, wird die Balance VA zur HA verschoben. Es kann also zu Fehlanregelungen kommen. Zum Beispiel auch nur beim schlagartigem Gaswegnehmen (Schleppmoment) und gleichzeitigem Bremsen. Es wurde hier im Forum auch schon ein sogenanntes „Hartes Pedal“ bemerkt.
    3. Beides zusammen kann dazu führen, dass - ABS zu früh oder zu spät anregelt

    - ABS nicht so gut performt wie gewünscht, Stichwort Bremsweg.

    - Die Bremsung gerade oder in Kurve zu größeren Über- Untersteuern gegenüber Serie führt. Auch ohne ABS also im Teilbremsbereich.


    Dem gegenüber steht vielleicht ein Vorteil bei der Standfestigkeit auf dem Track.


    Auch wenn es hier von einigen, welche den Umbau gemacht haben, gute Erfahrungen gibt. So wäre ich als Fachmann skeptisch ob dies in allen Fahrsituationen ohne Nachteile ist.
    Track ist nur ein ganz kleiner Anwendungsfall.

  • Konkrete Frage: .....


    Hältst Du es für möglich, dass die Auslegung des ABS bei einem englischen Kleinserienhersteller unbeabsichtigt oder beabsichtigt auf das Serienmaterial eher mittelmäßig ist und das Anregeln mit anderen Belägen sogar besser funktioniert?

    Eindeutige Antwort: Ja aber nicht nur aus Uk.
    Es gibt mehrere Gründe dafür.
    Zeit, Budget, mangelndes Systemverständnis, oder das Fahrzeug auf das Appliziert wurde weicht von der endgültigen Serienkonfiguration ab.
    Vielleicht hat es sich auch keiner richtig angesehen.
    Gerade bei kleinserien Herstellern kommt sowas oft vor.


    Editiert: Damit jetzt aber keiner Angst bekommt. Jedes Fahrzeug durchläuft bei Serieneinführung einer Homologation. Auch bei der Bremse. Die Anforderungen sind da such recht hoch. Die Systeme können es aber deutlich besser. Es geht also nichts unsicheres in Serie. :saint:

    2 Mal editiert, zuletzt von FlyingV ()

  • Auch wenn es hier von einigen, welche den Umbau gemacht haben, gute Erfahrungen gibt. So wäre ich als Fachmann skeptisch ob dies in allen Fahrsituationen ohne Nachteile ist.

    Track ist nur ein ganz kleiner Anwendungsfall.

    Vielen Dank. Du bestätigst leider meine Vermutungen, weshalb ich von solchen Modifikationen bisher auch die Finger gelassen habe.

    Wei geschrieben sehe ich zu 99% auch keine Defizite mit der Serie. Das wäre eine Option gewesen, um das Auto auf der NOS, oder anderem Track mal richtig zu quälen ;) .

  • .....

    Wei geschrieben sehe ich zu 99% auch keine Defizite mit der Serie. Das wäre eine Option gewesen, um das Auto auf der NOS, oder anderem Track mal richtig zu quälen ;) .

    Ja da kommen wir an den Punkt. Die Systeme sind für den Öffentlichen Verkehr mit allen möglichen Situationen entwickelt und appliziert. Dazu kommt ein sehr hoher Anspruch an Komfort. Haptik und Akustik. Es darf keine Fehlanregelungen geben, es muss Sicher sein, gesetzliche Anforderungen erfüllen, die Lampen sollen aus bleiben, alle Varianten abdecken, ein Fahrzeugleben halten, Verschleiß berücksichtigen, Toleranzen vertragen. Aftermarket Teile und jeden Reifen ertragen, von Fahrsnfängern wie Profis beherrschbar sein. Dann soll es nichts kosten und kein Aufwand sein.
    Unter den Vorraussetzungen ist das ABS und ESP echt sehr leistungsfähig.


    Aber, wenn die Modifikationen so gross sind, dass da ein anderes Auto draus wird, und der Anwendungsfall vom Allgemeinen ins Spezielle wandert. Gehts irgend wann nicht mehr.
    Nicht umsonst sind ABS system im Rennsport gar nicht vorhanden, oder ganz spezielle Gesellen.

    Unser Rennsport ABS z. B ist ganz speziell nur auf diesen Anspruch entwickelt. Eigentlich kann das gar nichts ausser Performance auf trocken mit Sliks, oder Nass auf Regenreifen.
    Und es stört den ausgebildeten Rennfahrer nicht.

  • Aber, wenn die Modifikationen so gross sind, dass da ein anderes Auto draus wird, und der Anwendungsfall vom Allgemeinen ins Spezielle wandert. Gehts irgend wann nicht mehr.

    Und das würde mich sehr stören. ABS sollte sowieso immer funktionieren und die NOS fahre ich auch meist mit ESC. Da ich eher die saubere Linie pflege funktioniert das gut und ESC Eingriffe zeigen mir dann ggf. die eigenen Defizite auf. Und den kleinen Fallschirm den habe ich dann auch gerne, weil ich das Auto auch ausreize und immer irgend etwas schief gehen kann, und sei es, dass man selber mal nicht gut drauf ist.

  • Mal eine Frage zum etwas weiter gesteckten Themenkreis:


    Die Beranfahrhilfe lässt sich nicht mit einfachem Eingriff deaktivieren oder zeitlich verkürzen?

    Woher kommt die Info zum gerade anliegenden Gefälle? Wofür wird die noch verwendet?


    edit:

    Ist zwar für den CX-3, aber wie passt das zusammen?

    HLA CX-3.jpg

    Prime Line 960S Softtail

    Einmal editiert, zuletzt von GAFCOT ()