Calimoto gibt's heute nicht, weil wir früh aufgestanden und dann auf direktem Weg mit Google Maps nach Edinburgh rein gefahren sind.
Wir sind in ein überaus... Interessantes Parkhaus gefahren.
22 Spittal Lane Street. Man bekommt vorab schon Bilder zugeschickt, weil die Einfahrt nicht leicht zu finden ist. Hier mal die Street View Ansicht.
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Da bei dem blauen Pfeil ist die Einfahrt.
Weiter drin sieht es dann so aus
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Da darf man dann noch eine 90 Grad Kurve fahren, um in das Tor zu kommen.
Das dürfte eines der sichersten Parkhäuser in Edinburgh sein. Man kommt selbst fahrend kaum rein und wieder raus. Und man kommt in die Halle nicht rein. Selbst, wenn man eigentlich rein kommen sollte.
Mein Bruder hatte am Vorabend für sich und Paula für uns noch je einen Platz gebucht. Andere Parkhäuser waren voll, dieses nicht. Mutmaßlich, weil man mit allem größer als Golf kaum rein kommt. In der Einfahrt gab es an mehreren Stellen ein buntes Potpourri aus Autolacken. Ein Forensiker hätte da seine wahre Freude dran. Sowas wie eine "DNA-Bombe" für Lackspuren.
Bei jeder Buchung kam die Meldung, dass man das Tor per Just Park App öffnen kann oder mit dem Code direkt am Tor. Mein Bruder und ich standen mit den Autos vor der Einfahrt und ein Brite wollte wieder rein zu seinem bereits geparkten Auto. Wir hatten 3 unterschiedliche Codes. Alle 3 gingen nicht. Wir haben alle 3 die App runter geladen. Und haben alle 3 die Meldung bekommen, dass wir zu weit vom Parkhaus weg wären. Soso. Nach einer größeren Brainstorming Session kamen wir dann auf die Lösung: man muss in den Systemeinstellungen - Apps -
Just Park - Berechtigungen den Standort für die App freigeben. Die App fragt einen nicht danach! Man muss über die Systemeinstellungen gehen. Dann lässt sich das Tor auch öffnen, wenn man daneben steht. Kannst du dir nicht ausdenken sowas.
Naja wir waren dann kurz nach halb 11 einsatzbereit in der Stadt und auf dem Weg zum Fringe Festival.
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Wem das nichts sagt: das Festival findet jedes Jahr parallel zum Military Tattoo statt und ist vermutlich das größte Kulturfestival der Welt. Es gibt hunderte Veranstaltungs-Venues mit 5 und mehr Veranstaltungen pro Tag. Die meisten drehen sich um Comedy, es gibt aber auch sowas wie science slam, Tanzgruppen, Straßenkünstler, Vorträge, alles mögliche. Die schiere Auswahl kann schon ziemlich überwältigend sein. Und die Stadt ist voll. Sehr voll. Das hier war bei einem einfachen Straßenkünstler gegen 11 Uhr vormittags, also weit ab von der "prime time"
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Dadurch, dass die Venues in der ganzen Stadt verteilt sind, muss man auch auf Laufwege zwischen den Veranstaltungen achten. Bei den kostenlosen muss man sich rechtzeitig anstellen (15-30 min vorher), weil der Raum halt nur z.B. 30 Leute fasst und die hinteren dann nicht mehr rein kommen.
Die Buchung ist zum Glück über die fringe App zentralisiert, sonst hätte man da überhaupt keine Chance. Selbst damit ist es noch tricky.
Paula hat das aber sehr gut gemacht. Sie hat (an dieser Stelle nochmal vielen Dank :*) vorab schon Veranstaltungen fürs raus gesucht. 2 waren vorab gebucht und 2 waren kostenlos mit Anstellen mit der Bitte, am Ende eine Spende da zu lassen, wenn es einem gefallen hat. Die "Empfehlung" war 10 Pfund pro Person und Veranstaltung, was auch etwa so viel war, wie die gebuchten.
Wir hatten insgesamt 4 Sachen, 2 mal über eine Stunde Pause dazwischen und 1 mal nur 15 Minuten zwischen Ende und Anfang, aber gut 14 Minuten Fußweg dazwischen. Es hat aber am Ende alles gepasst.
Die Shows waren richtig gut.
"4 teachers - for teachers" hatte 1 Lehrer und 3 (im weitesten Sinne) Lehrerinnen, die humoristisch aufbereitet von ihrem Berufsalltag berichtet haben. "apologies for my accent - I'm an alcoholic"
Jeder davon hatte auch noch später irgendwo eine eigene Vollpreis Show, die dann zwischen 30 und 60 Minuten ging.
"Comedy compilation" war gleich nebenan und hatte einfach 4 bunt durchgemischte Comedians in einem sehr urigen Kellerschuppen. Voll sympathisch. Auch hier hatte jeder noch eine Vollpreis Show zu einem anderen Zeitpunkt.
"5 headliners for 10 Pounds" war eine etwas größere Show (in einer Kirche) mit 5 Comedian, die wir zwar auch alle noch nicht kannten, die aber merklich mehr Erfahrung hatten.
Das letzte war dann "101 naughty jokes in 30 minutes" und das war ein bisschen schwieriger für uns. Viele der Witze hingen an der Doppeldeutigkeit von Wörtern oder anderen Wörtern, die ähnlich klingen. Wenn man zwar an sich gutes Englisch kann, aber eben kein Muttersprachler ist und dann noch Schwierigkeiten hat, den Schotten zu verstehen, kommen manche Witze nicht zu einem durch. Oder andere haben sich auf bestimmte Personen bezogen, die man dann kennen muss, um den Witz zu verstehen. "i bought this autobiography from Christopher reeve and asked him to sign it" und dann zeigt er eine Doppelseite mit mehreren parallelen Linien. Dazu muss man halt wissen, dass Christopher Reeve im Rollstuhl sitzt und dann halt die Punchline ist, dass er mit seinem Rollstuhl Rad drüber gefahren ist und damit unterschrieben hat.
Im Prinzip mein Humor, weil sehr intelligent. Aber wenn man die Referenzen nicht kennt und dazu diese sprachliche Barriere hat, versteht man halt leider die Hälfte nicht.
Was ich beim nächsten Mal anders machen würde: man müsste eigentlich locker ne Woche dafür einplanen, wenn man nur Comedy schauen will. Man schaut sich dann solche Compilation Shows an und sucht sich da comedians raus, die einem gefallen und geht dann z.B. am nächsten Tag in die Headliner Show von denjenigen.
Man könnte außerdem sicherlich ne Woche mit interessanten Science Vorträgen zubringen. Man braucht dafür halt ne Unterkunft. Und genau da liegt das große Problem nicht nur für einen selbst, sondern für das ganze Festival. Mietunterkünfte in der Zeit sind Unvorstellbar teuer. Wir hatten das Glück, bei einer Freundin meines Bruders unter zu kommen, aber das ist ja nicht der Normalfall. Der letzte Comedian hat gesagt, dass es nach 15 Jahren fringe vermutlich sein letztes Mal war, weil er sich das einfach nicht mehr leisten kann. Er hat bei seinem ersten Mal vor 15 Jahren für einen Monat Studentenunterkunft knapp 300 Pfund bezahlt. Dieses Jahr waren es für die gleiche Dauer und die gleiche Unterkunft 3.800 Pfund. Er meinte, dass er neben Verpflegung (Street food ist da auch ziemlich teuer!), Reisekosten und eben der Unterkunft noch draufzahlt, selbst, wenn man die Eintrittsgelder gegen rechnet. Und als Comedian verdient man halt nicht genug, dass man sich das leisten könnte.
Als Gast würde man ja gern unterstützen, aber du kannst halt auch schwerlich 2*10 Pfund pro act bezahlen. Bei 5 Acts am Tag wären das ja auch schon 100 Pfund am Tag. Plus Verpflegung und die teure Unterkunft. Ich hatte mal geschaut und wir wären für eine Nacht bei ~200-300 Pfund für eine Übernachtung für 2 in einer kleinen Wohnung gelandet. Für ne Woche fringe kommt man da für 2 Personen mit Eintritt, Unterkunft, Flug und Essen schon mal auf 2000-2500 Pfund. 3.000€ für ne Woche Comedy... Weiß ich nicht.
Deshalb meine Quintessenz: wenn ihr das mal machen wollt, dann macht es bald und plant genug Geld ein. Auch die "free" shows sind nicht wirklich free (wenn man will, dass das Festival so erhalten bleibt).
Danach haben wir uns mit der Bekannten meines Bruders getroffen und waren beim Griechen Abendessen und sind danach gemeinsam zum Highlight des Abends: das Edinburgh Military Tattoo. Es war das 75. Jubiläum und damit in meinem Kopf (weil ich gerade das 2. Prequel der Hunger Games Reihe ausgelesen habe) das third quarter quell. Das, in dem die Revolution beginnt.
Was für eine Show. Das wichtigste vorweg: man muss vorbuchen. Am besten mehrere Wochen im voraus. Und mit 89 Pfund pro Ticket für die Bauernränge ist es auch nicht direkt günstig, aber definitiv das Geld wert. Die Bauernränge reichen auch aus. Man sollte nicht zu weit unten sitzen - oben sieht man viel besser. Ab Reihe M würde ich empfehlen.
Die beeindruckende Tribüne, die sich weit über den Rand des Schlosses hinaus erstreckt, kennt man ja sicher schon von Bildern
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Die eigenen Plätze finden war sehr leicht. Es gibt bestimmt 50 Toiletten dort, was für die rund 10.000 Gäste gut hingekommen ist. Man musste nur ein paar Minuten warten.
Der erste Applaus des Abends galt einer jungen Möwe, die kurz, nachdem das Feld von Besuchern geräumt wurde, genau mittig gelandet und dann dort rumgewatschelt ist.
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Dann gab es eine Ansage vom Moderator, einen Fly By von einem Eurofighter und die Eröffnung durch "The Massed Pipes and Drums" der Britischen Armee. Der erste Gast war "The Orchestra of Naval Forces of the Armed forces of Ukraine". Das ist schon mal ein Statement
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Was ich daran lustig finde: die Ukraine hatte ja zu Kriegsbeginn überhaupt keine Marine.
Dann ging es weiter mit ein paar der größten Highlights der letzten Jahre. Das "Top Secret Drum Korps" aus der Schweiz
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das "United States Air force Honor Guard drill team" und weitere. Gegen Ende sind alle gemeinsam aufgelaufen und haben gemeinsam gespielt und dazu auch noch ein großer Chor auf die Ränge verteilt gesungen.
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Am Ende dann noch der alljährliche Lone Piper und eine Air Show mit 100 beleuchteten Drohnen.
Ich hatte den ganzen Abend Pipi in den Augen. Man wird von der Gewaltigkeit dieser Show komplett überwältigt. Das lässt sich wirklich schwer in Worte fassen. Hunderte Trommeln, Bläser und Tänzer in einer beeindruckenden Choreographie, hunderte Dudelsäcke auf einmal, die gewaltige Stille und absolute und bedingungslose Präzision des Drill Team und selbst eine einzelne Flöte kann in dieser Kulisse durchdringend sein. Es haut einen echt komplett um.
Wer das auf seiner Eimerliste hat, sollte es unbedingt bald mal machen. Und wer es nicht auf seiner Eimerliste hat, sollte es dort dringend drauf schreiben. Diese Show muss man mal live gesehen haben.