Zum 1. Teil muss man glaub ich nichts schreiben....
Aber weil du schreibst: Sturzwerte sind ohne Spurwerte komplett wertlos.
Was müsste denn an Spur eingestellt werden, damit diese sich gänzlich unterscheidenden Sturzwerte im Alltag keinen erhöhten Verschleiß und einfach zu beherrschendes Handling ergeben?
Zum 1. Teil: In technischen Diskussionen hat es sich bewährt bei technischen Größen die Benennung und korrekte Einheit anzugeben. Das vermeidet Missverständnisse und das man aneinander vorbei redet. Insofern war das von mir vielleicht flapsig formuliert, aber mit ernstem Hintergrund. Ich denke Du hast jetzt indirekt aufgelöst, so dass ich einfach mit der Prämisse weiter arbeite, dass tatsächlich der Sturz gemeint war.
Für das Verhältnis Spur:Sturz gibt es die sogenannte 1:5 Regel (siehe auch Fahrdynamik in Perfektion, Wolfgang Weber). Diese besagt, dass sich die beiden Einstellungen ungefähr aufheben, wenn ich das genannte Verhältnis verwende.
Für einen gleichmäßigen Reifenverschleiß benötige ich dann die folgenden Werte:
Vorderachse Spur/Sturz: 18/90 Minuten
Hinterachse Spur/Sturz: 12/60 Minuten.
Also an der Vorderachse 36 Minuten Gesamtspur, was schon zeigt, dass wir hier über eine extremere Einstellung reden. Gleichzeitig verschiebt sich dadurch aber das Eigenlenkverhalten noch mehr in Richtung neutral/übersteuernd.
Wenn ich da gegensteuern will könnte ich das ungefähr wie folgt machen, wobei man das im Fahrversuch verifizieren müsste, da die oben genannten Regel für den Reifenverschleiß gilt, aber nicht zwingend für das fahrdynamische Verhältnis:
Vorderachse Spur/Sturz: 12/90 Minuten
Hinterachse Spur/Sturz: 18/60 Minuten.
Hier nehme ich die Achse mit mehr Sturz in der Spur runter und die mit weniger Sturz in der Spur hoch, so dass sich die Effekte ausgleichen, oder zumindest abgemildert werden. Üblicherweise hat die Spur einen größeren Einfluss auf das Fahrverhalten, als der Sturz, so dass ich hohe Sturzwerte problemlos im Fahrverhalten über die Spureinstellung ausgleichen kann. Darauf habe ich mich in meinem Ausgangspost #156 bezogen.
Wie man sieht haben wir hier einen Zielkonflikt, weil sich mit den genannten Sturzwerten Reifenverschleiß und ein neutrales bis untersteuerndes Fahrverhalten nicht unter einen Hut bringen lassen. Da wäre es also besser Sturz und Spur anzupassen.
Um auf @Merten124 Post gleich mit zu antworten:
"Andere Frage. Nach meinen laienhaften Verständnis ist der Sturz hauptsächlich für die Haftung verantwortlich. Damit für neutral/untersteuernd etc.
Wie macht sich der Vor/Nachlauf im Fahrverhalten bemerkbar?"
Erst mal zur Terminologie: Haftung ist das eine, Steuertendenz das andere. Die Steuertendenz ergibt sich aus dem Verhältnis der Seitenführungspotentiale von Vorder- und Hinterachse. Grob gesagt bestimmt die Achse mit im Verhältnis weniger Seitenführungspotential die Steuertendenz. Eine schwächere Vorderachse führt zu untersteuern, eine schwächere Hinterachse zu übersteuern.
Mit dem Nachlauf hat das nichts zu tun und Vorlauf gibt es im Auto nicht. Die Werte nennen sich Vor- bzw. Nachspur und beschreiben den Winkel, den das Rad ähnlich einem Lenkwinkel um die Hochachse hat.
Das Rad baut Seitenführung über Schräglauf auf, d.h. wenn ich ein Rad lenke, dann wird der Reifen relativ zur Fahrbahn verformt und baut darüber die Seitenkraft auf.
Bei Spur null muss ich diesen Kraftaufbau komplett über den Lenkwinkel machen. Das Rad ist also frei und nicht vorgespannt. Mit Vorspur kann ich das Rad vorspannen. D.h. auch bei Geradeausfahrt wird bereits eine Seitenkraft aufgebaut, die dann auch sofort zur Verfügung steht, wenn ich anlenke.
Für gleichen Sturz gilt, wenn ich jetzt an einer Achse viel Vorspur und an der anderen weniger Vorspur einstelle, dann ist die vorgespannte Seitenkraft an der einen Achse höher als an der anderen und damit bestimmt wieder die schwächere Achse das Eigenlenkverhalten, d.h. die Achse mit weniger Vorspur bestimmt die Steuertendenz.
Der Sturz hat einen ähnlichen Effekt, mehr Sturz bewirkt ein höheres Seitenkraftpotential, wobei es für den Sturz einen Optimalwert gibt, der aber von der Querbeschleunigung abhängig ist. So ist hoher Sturz super für hohe Querbeschleunigungen, aber schlecht für wenig Querbeschleunigung, wie z.B. auf nassen Straßen. Das ist u.a. eine Erklärung dafür, warum ich mit der Vorspur das Verhalten besser und reproduzierbarer beeinflussen kann als mit dem Sturz.
Das Eigenlenkverhalten ist also von Spur- und Sturzeinstellung abhängig, weshalb man beide Werte braucht, um sich ein Bild über die Einstellung zu machen.
Das alles ist recht kompliziert und lässt sich bei einem Bier sicher besser erklären, als hier in Textform. Für weitere Vertiefung empfehle ich das oben genannte Buch. Wer zum Fahrtraining kommt, darf das natürlich auch gerne persönlich mit mir weiter diskutieren ;-).
So viel als Versuch eine grobe Erklärung zu liefern. Wenn irgend etwas total unverständlich oder unklar bleibt, bitte nachfragen.